re:discover

Besucher schauen sich ein Gemälde an. Ein Galerist erklärt Ihnen das Bild.

Wir freuen uns sehr, ein ganz neues Format 2024 präsentieren zu können, was zugleich auf den besonderen Stärken der art KARLSRUHE aufbaut: die re:discover-Förderkojen.

Gemeinsam mit dem Bundesverband Deutscher Galerien und Kunsthändler e.V. (BVDG) und unterstützt von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) möchte die art KARLSRUHE Künstlerinnen und Künstler im Kunstmarkt sichtbar machen, die zu Unrecht und trotz der hohen künstlerischen Qualität ihres Werks aktuell nicht unsere Aufmerksamkeit finden.

20 jurierte Galerien werden im Rahmen dieses Förderprogrammes jeweils eine künstlerische Position präsentieren. Fragen nach der Bedeutung der Arbeit von bildenden Künstlerinnen und Künstlern für die Gegenwart und im historischen Kontext werden aufgeworfen. Zugleich setzt sich re:discover zeitgemäß mit den Themen Nachlass, Vorlass, Alterswerk und den Mechanismen des Kunstmarkts auseinander.

Gefördert von:

Portrait Kristian Jarmuschek, Vorsitzender des Beirats der art KARLSRUHE

Mit dieser neu geschaffenen Sektion möchten wir auf besondere Weise die Qualitäten der art KARLSRUHE steigern und ein auf Kunstmessen einzigartiges Format etablieren.


Kristian Jarmuschek, Vorsitzender des Beirats der art KARLSRUHE

re:discover Künstlerinnen und Künstler 2024 (Verfasser: Karlheinz Schmid)

Er wurde Ende der sechziger Jahre zum Meisterschüler des informellen Malers Fred Thieler ernannt, und so überrascht es, dass Peter Benkert, Jahrgang 1942, zu den Künstlern der Konkreten Fraktion zählt. Sein Werk, laut eigenen Angaben von „geometrischen Hard-Edge-Abstraktionen“ und von „irrealen Konstruktionen“ geprägt, lässt keinen Zweifel aufkommen: Mit seinen Farbreihen- und Raumsonden-Bildern schafft Benkert einen bildnerischen Kosmos, der Ordnung und Zwanglosigkeit zugleich thematisiert. Dabei kommt es nicht von ungefähr, dass der Konstruktivist selbst im Blick auf eine aus den Fugen geratene Welt durchaus auch von Gefährdungen und Bedrohlichkeiten spricht, wenn er seine Malerei verortet.

Peter Benkert, als junger Künstler neben Karl Horst Hödicke und Markus Lüpertz einer der Initiatoren der längst legendären Berliner Ausstellungsgemeinschaft Großgörschen 35, blieb seinem Vokabular stets treu. Von den vor rund 55 Jahren entstanden „Luschen“ bis zu den „Sonden“ aus diesem Jahrhundert: Die Bildräume sind streng organisiert – und lassen dennoch Abweichungen und Irritationen zu. Ob Acryl auf Leinwand oder Autolack auf Pressspan: Hier zeigt sich, dass das, „was inhaltlich unvereinbar erscheint“ (Benkert) dennoch über “innere Zusammenhänge und Kontinuitäten“ verfügt. Ein Phänomen, erst auf den zweiten Blick erkennbar.

Dass der Künstler trotz allerlei Ausstellungen und Erwerbungen, darunter die Daimler Kunst Sammlung, bislang noch nicht den verdienten Erfolg spüren konnte, wie er einräumt, mag sich aus der künstlerischen Arbeit selbst erläutern lassen. Sie zielt primär nicht auf das visuell Gefällige, sondern scheint einer inneren Wahrheit verpflichtet. So konnte der Maler bisher von seinem Werk nicht leben. Jahrzehntelang war er als Pädagoge und dann auch als Bibliotheksangestellter tätig. Benkert: „Sicher waren die Brüche und Verwerfungen meines realen Lebensweges auch eine Ursache für die Paradoxien meiner Malerei.“

Ob es sich um die „Wartende“ (2007) oder um die Frau im Pastell „Café“ (aus dem Jahr 2000) handelt, ob „Straßenstrich“ oder „Rummelplatz“ ohne jeglichen Rummel, beide 1990 entstanden: Diese gegenständlich orientierten, expressionistisch anmutenden Motive sind von einer melancholischen Stimmung geprägt, die nachdenklich werden lässt. Sowohl das Personal als auch die Kulissen im Gesamtwerk der 1934 in Dresden geborenen und dort 2018 gestorbenen Malerin und Grafikerin Herta Günther zeugen von einer gewissen Tristesse. Doch diese Schwermut stößt nicht ab, sondern stimmt neugierig – auf die Menschen und die Umstände, in denen sie leben. Denn das Alltägliche, das vermeintlich Vertraute, gibt sich hier stets rätselhaft, immer ein wenig fremd.

Zweifellos kann man Herta Günthers Werk, ob Porträts oder Stadtansichten, nicht ohne Seitenblick zu Otto Dix, George Grosz und Christian Schad wahrnehmen. Ihre Haltung, den Charakteren porentief nahezukommen, wird auch in den Bildern dieser Künstlerin deutlich. In den frühen fünfziger Jahren in Dresden beispielsweise von Hans Theo Richter ausgebildet, von Anfang an als Malerin auch dem Medium Druckgrafik eng verbunden, hat Herta Günther dabei dank ihres eigenen Umfeldes eine unverwechselbare Form der Darstellung gefunden, genährt mit erzählerischen Momenten, die sich teils aufgrund der Studienreisen in Länder wie Bulgarien und Ungarn ergaben. Eine biographisch gefärbte Kunst.

Obgleich die Künstlerin einst allerlei Erfolge verbuchen konnte, etwa zwei Jahrzehnte lang an den umschwärmten Kunstausstellungen der DDR in Dresden teilnehmen durfte oder vor über 40 Jahren einmal an der Biennale der europäischen Grafik in Baden-Baden mitmachte, war ihr der internationale Durchbruch zu Lebzeiten nicht vergönnt. Renommierte Museumsstationen im Osten Deutschlands, wo sie seit den Siebzigern ausstellte, darunter Chemnitz, Dresden, Halle und Schwerin, dokumentieren indessen, dass Herta Günthers Nachlass durchaus qualifiziert ist, von einer großen, internationalen Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden.

Es sind die Widerstände, die Ingrid Hartlieb, Jahrgang 1944, schon als Studentin bei Rudolf Hoflehner in Stuttgart erfahren musste, wenn es um die Frage geht, was ihr Werk auszeichnet. Gehörte sie in den siebziger Jahren zu den wenigen Künstlerinnen, die sich in der damals männlich dominierten Bildhauerei gegen die Kollegen durchsetzen mussten, war es bald auch ihr spezieller Umgang mit ihrem Material, der sie forderte. Hartlieb hatte sich schon als junge Bildhauerin dem Holz verschrieben, riesigen Blöcken, die sie spaltete und zersägte, um sie neu zu schichten und zu verleimen. Ein permanenter Heilungsprozess, ein ständiges Ringen um die optimale Form.

Archaisch wirken sie, diese Skulpturen; raumgreifende Gebilde, die an den Prozess ihrer Entstehung denken lassen. Dabei verstärkt der Hang zum Monumentalen, der für Ingrid Hartlieb bezeichnend ist, jene existentielle Dimension, die im Werk steckt. Mitunter arbeitet die Künstlerin auch mit Nägeln, Klammern und Blechen, verbindet Hölzer wie Buche, Eiche und Lärche, um ihren oft organisch anmutenden Schichtwerken eine spurenreiche Gestalt zu geben. Die wird per Zeichnung vorbereitet, und sie erfährt dann in der plastischen Umsetzung doch wieder Korrekturen, wie sie sich zwangsläufig einstellen, wenn eine Bildhauerin auf ihr Material hört, es aufmerksam beobachtet.

Auffällig häufig zeichnen sich die Hartlieb-Skulpturen durch Werktitel aus, die diesen intensiven, ehrlichen Einsatz für die einzelne Arbeit vermitteln – vom „Blickfänger“ über den „Stammbaum“ bis zur „Zwangsjacke“. Der Betrachter kann die reale Kraft der teils tonnenschweren Holzarbeiten folglich auch als mentale Energie aufnehmen und ist mit seinen eigenen Empfindungen und Erfahrungen gefragt. Ein Austausch der besonderen Art, allenfalls ein wenig von der Betrübnis überschattet, die Ingrid Hartlieb trotz früher Erfolge einräumt. In jüngster Zeit, so sagt sie, fühle sie sich nicht mehr wirklich wahrgenommen.

Früh starb er, nämlich 2021, der 1960 in Essen geborene Dirk Hupe, als Maler ein experimentierfreudiger Mischtechniker, der informelle und konzeptionelle Ansätze vereinte. Gegen den schnellen, oberflächlichen Blick gerichtet, locken diese Bilder den Betrachter zunächst etwa auf informelles Terrain, um ihn dann, perfide im besten Sinne, mit konstruktiven Einsprengseln zu irritieren und aus vertrauten Rezeptionsbahnen zu katapultieren. Eine Kunst, die genaues Sehen erfordert.

Dabei zieht sich als roter Faden die Auseinandersetzung mit der Schrift durch das Gesamtwerk. Dirk Hupe, der nach dem Studium der Germanistik und Philosophie in Düsseldorf zudem an der Universität Duisburg-Essen einen Abschluss als Diplom-Designer machte, misstraute den Buchstaben als Informationsträger und entwickelte aus ihren Formen neue Sinn-Inhalte, die ihrerseits wieder allerlei Brechungen und Modifikationen auslösten. Ein Kreislauf auf mehreren Ebenen, von der malerischen Geste bis zur Arbeit am Computer.

Die Bilder, Objekte und Installationen des Künstlers, der auch bei Lászlo Lakner studiert hatte, später selbst als Lehrer in Dortmund, Essen, Mülheim an der Ruhr und Witten/Herdecke tätig war, sind von einem Hang zur Dekonstruktion geprägt, freilich nicht dem Selbstzweck einer Auflösung der Begriffe gewidmet. Stattdessen hat Hupe per Restzeichen und Zeichenreste, wie er manche Werke nannte, Spuren seines analytischen Vorgehens salonfähig gemacht. Ein Meister der Fragmente, Signale ständiger Selbstbefragung.

Im Jahr 1941 geboren, gehört Dieter Jung zu den Pionieren der Holografie – und damit letztlich zu den Wegbereitern einer Kunst, die sich später durch den dann möglichen Computer-Einsatz ins digitale Zeitalter katapultierte. Der in Berlin lebende Künstler, der einst – neben Malerei und Grafik – auch Theologie und Film studierte, hat Mitte der sechziger Jahre damit begonnen, Licht und Bewegung in seiner bildnerischen Arbeit möglich zu machen.

Im folgenden Jahrzehnt professionalisierte er sein Wissen auch in New York, etwa an der School of Holography, wo dank Laserstrahlen erste Text-Hologramme entstanden, darunter Gedanken von Hans Magnus Enzensberger. Der verstorbene Licht- und ZERO-Künstler Otto Piene, mit Jung befreundet, lobte Jungs Virtuosität in höchsten Tönen: „a light magician, a holographic magician, a peace magician“. So bleiben auch die technisch aufgeladenen Erfindungen des Zauberers nicht im formalen Wahrnehmungsraster hängen, sondern animieren den Rezipienten, hinter die schönen, poetisch wirkenden Arbeiten zu schauen, ihren tieferen Sinn zu erfassen.

Dieter Jung, der offene, kosmopolitisch orientierte Lichtartist, lässt sich, ohne im Geringsten zur Illustration zu neigen, auf die Realität der Gegenwart ein, die für ihn nach eigenen Aussagen immer wieder Überraschungen bietet. Ganz der von Krisen und Kriegen gezeichneten Weltlage entsprechend, sind es naturgemäß auch die Schattenseiten, die ihn beschäftigen müssen, die ihn wegen ihrer Unschärfen und Ungerechtigkeiten herausfordern. Wahrnehmungsschleier abzustreifen, für Transparenz im Mehrdimensionalen zu sorgen, das sind Aufgaben, die Jung laufend von Neuem in die bildnerische Pflicht nehmen.

Mit Pfeil und Bogen nackt unterwegs oder im Quergestreiften einem gefräßigen Rasenmäher auf der Spur – vermeintlich überaus profane Motive figurativer Malerei, die bei genauer Betrachtung doch ein Geheimnis zu haben scheinen. Eine einladende Botschaft, die im breit angelegten Themen-Repertoire des Künstlers zu finden ist. Er, Norbert Kiby, Jahrgang 1953, studierte in den Siebzigern in Karlsruhe vor allem Malerei und lernte von Anfang an, keine Scheu vor der Figuration zu haben.

Letztlich dienen Rotkäppchen, Schützin oder der Rasenmäher dem Ziel, in der Malerei eigene Identität zu finden und zu formen. Dabei wagt sich der Künstler, der zwar 1998 mit dem Lukas-Cranach-Hauptpreis der Stadt Kronach ausgezeichnet wurde, doch alles in allem jetzt wiederentdeckt werden will, beherzt in Gefilde, die die meisten seiner Kolleginnen und Kollegen meiden. Wohl aus Angst vor dem Scheitern.

Ja, Norbert Kiby, der gesättigte Farben und starke Formen favorisiert, traut sich auf Terrain, das belastet ist. Mal wird Pathos attestiert, sieht man seine Bilder; mal heißt es, er schrecke vor dem Kitsch nicht zurück – dem Maler ist es weitgehend egal. Ihm geht es insbesondere um malerische Dichte, um Intensität, auch um eine Kunst, die durchaus Spaß machen darf. Seine bildhaften Artefakte, so heißt es, seien ein ästhetisches Vergnügen, und das ist in der Tat so. Schöne Aussichten, fröhlich stimmende Aussichten.

Ob historische, religiöse oder literarische Themen: Sie alle dienen Georg Kleefass, 1962 in Budapest geboren, gewissermaßen als Rohstoff für eine realistische Malerei im Sog der Leipziger Schule. Der Künstler hat von 1996 bis 2002 bei Arno Rink studiert und sich im Bereich der klassischen Sujets – mithin Porträt, Stillleben und Landschaft – mit einer unverwechselbaren Lust an Primär- und Komplementärfarben einen Namen gemacht, wenngleich er auf den großen Durchbruch noch wartet.

Womöglich ist der Kunstmarkt bislang nicht reif für ein bildnerisches Werk, das von Haus aus fernab kommerzieller Interessen angesiedelt ist. Das hat gewiss auch damit zu tun, dass Kleefass von der kühnen Idee beseelt ist, grundsätzlich überall vorhandene Gegensätze kurzerhand aufzulösen. So verschmelzen in diesen Bildern beispielsweise Schönheit und Gewalt sowie Spiel und Ernst. Der Maler: „Die Frage, wie ich den Kontrast zwischen zwei oder mehreren Figuren auf die höchstmögliche Stufe steigern kann, gehört eng zu meiner künstlerisch-ästhetischen Gestaltungsweise und ist für mich mit der Frage nach moralischer Empfindlichkeit unvereinbar.“

Dass der Künstler handwerklich auch im Detail außerordentlich präzise arbeitet, dürfte mit seiner in den Achtzigern gestarteten ersten Ausbildung zu tun haben. Kleefass studierte zunächst Schmuckgestaltung an der Fachhochschule für Gestaltung in Schwäbisch Gmünd. Wie es vielen Gold- und Silberschmieden geht, so war auch er irgendwann von dem Gefühl ergriffen, größere Dimensionen erobern zu wollen, sowohl formal als inhaltlich. Die Malerei drängt sich, so gesehen, quasi als überaus geeignetes Medium auf, anhand schlichter Gegenständlichkeit komplexe Sachverhalte zu beleuchten.

Das Vokabular ist vertraut: Kreis, Rechteck, Quadrat, gerne geschichtet, überlappt, verrückt, auch mal unterbrochen, durch nuancierte Farbigkeit, den Abstufungen, räumlich in eine Dynamik versetzt, die Rhythmen erzeugt, gar Mobilität verspricht. Ordnung im Seriellen, allzeit von einer Ahnung überschattet, wie es sein könnte, wenn die farbigen Quadrate tanzen und, dann und wann, aufsteigen oder seitlich entweichen wollen. Bildraum-Flucht gewissermaßen. Drohende Unordnung im strukturierten Spiel. Ein Phänomen, ein Konstruktivisten-Phänomen.

Frieder Kühner, Jahrgang 1951, ist seit den siebziger Jahren im Umfeld Konkreter Kunst aktiv. Er studierte auch bei Paul Uwe Dreyer, gehörte dann zu den Gründern der Künstlergruppe Konstruktive Tendenzen, und gewiss hat ihn zudem seine Zeit als Mitarbeiter im Atelier von Anton Stankowski geprägt. Was Wunder, dass er zu den Seriellen zählt, dass der Maler, der bisher vornehmlich in Baden-Württemberg ausstellte, kein harmloser Förmchen-Füller ist, sondern mutig an Denk- und Erkenntnismodellen arbeitet, die freilich in konstruktive Bahnen gelenkt werden.

Oft findet diese Transformation auf der Basis mathematischer Gesetzmäßigkeiten statt, passend zur Tatsache, dass Kühner seinen künstlerischen Nektar aus den Wissenschaften zieht. Selbst wenn sich vereinzelt und naheliegend Op-Art-Effekte einstellen wollen, ist der Betrachter dieser Bilder immer vor leichtfertiger Einordnung geschützt. Man spürt, dass es hier nicht darum geht, visuell zu imponieren: Es ist der in der Kunst mittlerweile häufig vernachlässigte Begriff Wahrheit, der dieses Werk prägt.

Fastentuch, Fischdusche, Quarantäne, Faun oder Feuer und Flamme – allein die bevorzugten Begriffe, letztlich auch Titel dieser Gemälde, Grafiken und Keramiken, dokumentieren aufs Anschaulichste, dass die Urheberin eine Erzählerin ist. Anhand wundersam wirkender Bildgeschichten aus der Tier- und Pflanzenwelt, vermeintlich spontan skizziert, aber gut durchdacht, nimmt Susanne Mansen, 1959 in Flensburg geboren, ihr Publikum mit in Hochgefühle und Abgründe menschlicher Existenz. Eine Gratwanderung zwischen Schönheit und Gefahr, ein Augenschmaus unter der Kuppel globaler Verwerfungen, weit entfernt von oberflächlicher Illustration, obwohl die narrative Anmutung nicht zu übersehen ist.

Von 1978 bis 1984 hat Susanne Mansen bei Hans Baschang in München studiert, der sie zur Meisterschülerin ernannte. Baschang, 1937 in Karlsruhe geboren, „der Magier der Linie“, wie die „Süddeutsche Zeitung“ in ihrem Nachruf 2017 schrieb, gehörte zu den herausragenden Zeichnern seiner Zeit.

Zwar sind auch in den Mansen-Arbeiten schwungvolle Kompositionen auszumachen, doch alles in allem überwiegt das fein Erzählerische. Erst das vollendete Blatt, quasi die Summe aller Teile, verströmt dann jene Dynamik, die verführt, sich auf eine individuell, auch mythologisch aufgeladene Bildwelt einzulassen, die in düsteren Zeiten durchaus Hoffnung gibt, dass alles wieder ins Lot kommt.

Im Werk der mittlerweile 88-jährigen Kölner Künstlerin Rune Mields dreht sich viel um Zahlen und Zeichen. Auf der Basis mathematischer Ordnungen hat sie jahrzehntelang Bilder gemalt, die gleichwohl niemals einem reinen Konstruktivismus gewidmet waren. Im Gegenteil: Ihr Interesse gilt unzähligen Wissenschaften, und sorgsam filtert sie allerorten Symbole und Kontexte heraus, die sie zu neuen Weltbildern vermählt.

Kein Zweifel: Rune Mields, die vor über 50 Jahren ihren ersten Kunstpreis erhielt, dann laufend ausgezeichnet wurde (darunter der Harry-Graf-Kessler-Preis und der Gabriele Münter Preis), dennoch immer wieder neu entdeckt werden will, versteht es, chamäleongleich die Themen und Herausforderungen zu wechseln. Ihr breit angelegtes Spektrum – von Partituranalysen bis zu Schöpfungsmythen – bietet stets neue Ansätze, Sinnzusammenhänge auf den Prüfstand zu stellen.

Mitunter lenken einzelne Arbeiten, beispielsweise die Schwarzen Göttinnen, den Blick verengt in spezielle Kunstsegmente, etwa die Spurensicherung. Indessen ist Rune Mields keinesfalls als Ethnologin einzuordnen, wie das schon gesehen ist. Schließlich steht sie – wie nur wenige ihrer Kolleginnen und Kollegen – für einen besonders erweiterten Kunstbegriff, der vor nichts Halt macht, der nur ein Ziel verfolgt: Optimale Offenheit, freilich auf dem Boden strukturellen Denkens.

Dürfen Bilder gefallen? Kann ein Künstler heutzutage signalisieren, dass er schöne Gemälde macht, ohne misstrauisch beäugt zu werden? Für den 1950 in Freiburg/Breisgau geborenen Maler Gerhard Neumaier, der zwischen 1976 und 1982 in Stuttgart auch bei Alfred Hrdlicka studiert hat, ist die Antwort sonnenklar, auch notwendig. Er spricht von der „Schönheit der Evolution“, er will in seiner Arbeit „kontinuierlich weiterentwickeln“, was „die Natur als lebendiges Kunstwerk“ bietet.

Und so malt Neumaier, auch ein Meister poetisch aufgeladener Bildtitel, eine teils botanisch anmutende Welt voller kraftstrotzender Blüten und Blätter, die oft irgendwo eine kleine, prachtvolle Überraschung bereithalten, eine vermeintlich artfremde Irritation, die prompt das ganze Werk in andere Sphären gleiten lässt. Wunder malerischer Schöpfung.

In der bisherigen Werk-Rezeption erfährt Gerhard Neumaier vor allem, dass er ein Maler „informeller Gegenständlichkeit“ sei. Das klingt nach Widerspruch, und das ist kunsthistorisch natürlich in der Tat befremdlich, unscharf formuliert. Aber die Einordnung zeugt vom Versuch, jene unverwechselbare, von Wachstumsprozessen bestimmte Malerei zu erfassen, die sich am Ende ins gegenständliche (Natur-)Bild fügt. Freier, spontaner Duktus und realistische Orientierung zugleich – ein wirklich schöner Neumaier-Spagat.

Selbstverständlich liegen alle richtig, die Dore O. Nekes, die 2022 verstorbene Künstlerin, als Experimentalfilmemacherin verorten. In der Tat hat die Frau im Avantgarde-Kino eine große Rolle gespielt, teils in Kooperation mit ihrem Ehemann, mit Werner Nekes. Doch Dore O., Jahrgang 1946, die einst in Hamburg und Perugia Malerei studierte, zeigte von Anfang an, dass sie sich keinesfalls auf eine Disziplin beschränken mochte. Im Gegenteil: Bewusst hat die Grenzgängerin, in den Sechzigern Mitbegründerin der legendären Hamburger Filmemacher Cooperative, übergreifend gearbeitet, stets an der erhellenden Vereinigung verschiedener Medien gefeilt. Erkenntnisarbeit mit sehr viel Emotion.

Dass Dore O., die Bilder-Forscherin, auch im Kunstbetrieb schon früh akzeptiert wurde, zeigen ihre documenta-Teilnahmen 1972 bei Harald Szeemann und 1977 bei Manfred Schneckenburger. Als junge Künstlerin hatte sie nämlich damit begonnen, in der Kombination verschiedener Bildträger eine Installationskunst zu entwickeln, die das Stehende oder Hängende mit dem Bewegten vereint. So tauchen Plexiglasscheiben und Plastikschläuche im Werk auf, nicht selten von Projektionen raumgreifend überstrahlt. Aber Dore O., deren Gesamtwerk so leicht nicht zu erfassen ist, interessierte sich auch für das kleine Format. Ihre Polaroids stellen zum Beispiel eine Symbiose zwischen Fotografie und Malerei dar. Gefährdung und Zerstörung treffen auf Unversehrtheit und Heilung.

So implizieren diese Arbeiten immer auch den Zustand einer Welt, die zwischen Stagnation und Aufbruch ganz im Sinne der 68er-Bewegung neu justiert werden will. Was zuletzt seitens der Deutschen Kinemathek in Bezug auf die Restaurierung des filmischen Nachlasses geleistet wurde, das wäre nun auch im Hinblick auf das interdisziplinäre Gesamtwerk wünschenswert, nämlich die Bestandserfassung.

Während Kommilitonen, die mit ihm in den Sechzigern in Berlin Malerei studierten, noch mit Farbe und Pinsel arbeiteten, griff Frank Oehring, Jahrgang 1939, mutig zu damals neuen Materialien. Der Maler und Bildhauer bevorzugte Acrylglas und Neonlicht, um damit Skulpturen zu schaffen, die bald auch von Musikern geschätzt wurden, die ihre elektronischen Kompositionen durch diese Raumobjekte unterstützt sahen. Fortan schuf Oehring elektronisch gesteuerte Licht-Werke, und einer seiner ersten großen Aufträge wurde im ICC Berlin realisiert, ein Leit- und Informationssystem sowie eine knapp zehn Meter hohe, beeindruckend pulsierende Lichtskulptur, gewissermaßen die Schaltzentrale einer ungewöhnlichen Kunst im Bau.

Oehring, der in den vergangenen Jahrzehnten unzählige Arbeiten im öffentlichen und halböffentlichen Raum verwirklichte, der aber immer auch für den privaten Raum als Lichtbringer und Zeichensetzer tätig war, gehört zu den Experten einer Licht- und Architekturkunst, die sich den Menschen verpflichtet fühlt. Der Künstler, der sich auch als Designer versteht, lotet bestehende Verhältnisse aus – und entwickelt aus aktuellen Bedürfnissen das Neue, ohne dabei bildnerische Ideale zu verraten. Angewandtes im freien Umfeld.

Von den späten achtziger Jahren an hat Frank Oehring verstärkt mit natürlichem Licht gearbeitet, und so setzte sich die vorübergehend vernachlässigte Malerei im Gesamtwerk wieder durch. Denn der Künstler, der lieber Aluminium als Leinwand zu verwenden scheint, der rückseitig gerne auf das Prinzip der Abstrahlung setzt, sah zunehmend Möglichkeiten, auf die Energie aus der Dose zu verzichten und im Sinne einer heute unumgänglichen Nachhaltigkeit nur mit dem sich wandelnden Tageslicht zu spielen. Keinerlei Zweifel: Ein zeitgemäßer Künstler, der Oehring.

Farbe und Form, Fläche und Körper, Zeit und Raum – Karin Radoy, Jahrgang 1957, in Offenbach und in Frankfurt/Main als Malerin ausgebildet, setzt sich mit den klassischen Begriffen der bildenden Kunst auseinander und scheint dank ihrer konzentrierten, der Bild-Erforschung gewidmeten Arbeit zu den Stillen unter den Kreativen in diesem Land zu gehören, die den Versuchungen des Marktes gerne widerstehen. Wer sich die Malerei der Künstlerin freilich genau ansieht, der bemerkt rasch, dass sie in einem speziellen Problemfeld agiert und durchaus Aufmerksamkeit selbst in der Fraktion der zurückgenommenen Kolleginnen und Kollegen der Konkreten Kunst verdient.

Ja, Karin Radoy verfügt seit gut einem Vierteljahrhundert über eine Art Markenzeichen, unbeeinflusst von wechselnden Trends oder gar kurzlebigen Moden. Sie gestaltet sogenannte Doppelobjekte, die letztlich ein dialektisches Prinzip verkörpern. Das Grüne kann nicht ohne das Blaue, das Große nicht ohne das Kleine, und wo sich ein Teil nach oben verschlankt, verdickt sich daneben das andere im gleichen Umfang. A nicht B, C nur mit D.

Nicht zuletzt: Malerische Handschrift darf sich hier mit allen zwangsläufig keimenden Unregelmäßigkeiten entfalten, und zugleich wirken diese Wandobjekte perfekt, ganz so, als seien sie industriell gefertigt, über jeden Zweifel erhaben. In diesem Spannungsfeld wird Raum gegeben, über das Wesen der Malerei zu sinnieren, auch Identitätsfragen zu stellen, wie sie in einer schnelllebigen Zeit leider oft zu kurz kommen.

Er habe sich weder den Konventionen des journalistischen Berufs noch den Zwängen des Kunstmarktes unterworfen, urteilt der Experte Klaus Honnef, und so sei „ein unvergleichliches fotografisches Werk“ entstanden. Das Lob gilt dem ehemaligen „Stern“-Fotoreporter Michael Ruetz, Jahrgang 1940, in Berlin zuhause, wo er auch geboren wurde. Er hatte Sinologie, Japanologie und Publizistik studiert und kam eher zufällig dazu, als Chronist der 68er-Generation bezeichnet zu werden. Im Jahr 1968, als der russische Einmarsch in Prag stattfand, war er nämlich Augenzeuge. Später professionalisierte Ruetz sich dank eines Studiums bei Willy Fleckhaus und Otto Steinert in Essen, bevor er selbst in Braunschweig als Kommunikationsdesigner lehrte.

Dass Klaus Honnef den Fotokünstler in seiner Entwicklung seit Jahrzehnten beobachtet, kommt nicht von ungefähr. Michael Ruetz, der zuletzt eher selten ausstellte, gehört zweifelsfrei zu den wenigen Kamera-Artisten, die das Dokumentarische, nämlich die Sichtbarmachung politischer Ereignisse, mit grundsätzlichen Fragestellungen verknüpfen. Dabei gelingt es Ruetz, Bilder zu produzieren, die den Bogen zu philosophisch infiltrierten Themen spannen. So nimmt das Zeit-Phänomen in seinem Werk eine besondere Position ein, über die jeweilige Tagesaktualität hinaus.

Ruetz-Fotografien, ob dichte Menschen-Ansammlungen etwa im Demonstrationskontext oder öde, menschenleere Stadtansichten, durch trostlose Baustellen-Zäune abgelichtet, zeichnen sich einerseits dank ihrer formal zwingenden Kompositionen aus; andererseits senden sie diffizile Botschaften, Solidarität im öffentlichen Raum zu finden.

Dieter Schosser, ohne Titel, 2018, Mischtechnik auf Leinwand, 140 x 105 cm

Früher musste es Eitempera sein; schließlich genügten ihm, Dieter Schosser, 1955 geboren, 2021 gestorben, auch schlichte Fundstücke aus dem Straßenraum, um Kunst zu machen. Er malte mit Kaffeesatz und mit Spülmittel, er beschränkte sich auf Pappstücke, ein Geschirrtuch oder Plastiktüten, nachdem er einst auf hochwertiger Leinwand gearbeitet hatte. Wenn man es so sagen will: Die allmähliche Hinwendung zu einer speziellen Arte Povera, mehr aus der Not des auch gesundheitlich angeschlagenen Künstlers geboren, resultierte aus der Erkenntnis, dass das Einfache das Richtige ist – wie das Wichtigste in der Kunst die Disziplin sei, so das Credo des Malers, der seit den Neunzigern in Friedrichshafen lebte, wo er aufgewachsen war, bevor er in Karlsruhe Malerei studierte.

Dieter Schosser, der alles inhalierte, was die Geisteswissenschaften und die Künste bieten, ob Ludwig Wittgensteins Philosophie oder Butoh-Tanz aus Japan, ließ sich von den alltäglichen Widerständen nicht vereinnahmen. „Er lebte ohne Rücksicht auf Verluste“, schrieb der Kritiker Michael Hübl. Ein unabhängiger Geist, der keine Ausreden gelten ließ, keinerlei Entschuldigungen suchte: Sein Arbeitsplatz war die Kunst. Von morgens bis nachts spürte er einem inneren Antrieb nach, seinen vielfältigen Interessen nachzugehen und radikal herauszufiltern, was als künstlerische Setzung für ihn Gültigkeit hatte. Eine Erscheinung, eine omnipräsente, wie es in einem Nachruf heißt.

Dabei hatte Schosser, als er noch auf den Einsatz von Eitempera und Leinwand achtete, streng in der bildnerischen Reduktion gelebt. Kreis, Dreieck, Quadrat – so lautete die Grundformel. Bis zuletzt geblieben ist sein Hang zu starken, gesättigten Farben. Aber ansonsten Vielfalt, quer durch das Repertoire der Stile und Handschriften. Hauptsache Signal-Charakter, wohl im Sinne des Malers die Voraussetzung schlechthin, um wahrgenommen zu werden.

Vor dem Studium der Malerei in München, wo er als Meisterschüler von Ernst Geitlinger verabschiedet wurde, setzte sich Veit von Seckendorff, Jahrgang 1937, im hessischen Nauheim zuhause, in den Fünfzigern jahrelang mit Vermessungstechnik auseinander. Zweifelsfrei eine ideale Voraussetzung, um jenen Konstruktivismus auf die Leinwand zu bringen, den der Künstler zur Perfektion treibt, indem er ihn über die Bildgrenzen hinaus in den Raum zu lenken scheint. Geometrische Impulse, die sich gedanklich verlängern, die ihr direktes Umfeld aktivieren.

Folglich befindet sich der Betrachter unversehens in der vom Künstler gerne zitierten Schule des Sehens. Erkenntnisarbeit, die zugleich eine ungeheure Lust an Farben und Formen sowie an Rastern und Rhythmen weckt. Dass ausgerechnet der 1966 gestorbene Dadaist Hans Arp zu den Vorbildern des Malers zählt, kommt nicht von ungefähr. Denn das Hintersinnige und das Humorvolle, wie es in der vor über einhundert Jahren gegründeten Dada-Bewegung eine zentrale Rolle spielte, ist auch Veit von Seckendorff eigen.

Allein eine aquarellierte Tuschezeichnung wie „Na so was“, letztlich eine Karikatur, zeigt aufs Deutlichste, dass der Künstler keinerlei Berührungsängste hat. Während insbesondere die Maler und Bildhauer der Konkreten Kunst üblicherweise recht puritanisch reagieren und Gegenständlichkeit meiden, sieht von Seckendorff hier eine durchaus opportune Möglichkeit, seinen Bildkosmos zu erweitern. Das zeigen auch Acrylbilder und Zeichnungen wie „Blick-Kontakte“ (2011) oder „Ansichtssache“ (2012).

Zarte Linien verdichten sich, formieren sich zur Membran, seismographisch anmutend. Mit Eitempera und Öl auf Leinwand, teils mit den Händen eingerieben, entstehen Farblandschaften, reliefartige Strukturen, freilich nicht weniger von einer inneren Befindlichkeit zeugend. Authentische Dokumente des momentanen Zustands, einer Auseinandersetzung zwischen Höhe und Tiefe, zwischen Bodenständigkeit und dem Bedürfnis, sich zu erheben, abzuheben, ins Firmament zu entschwinden.

Die Berliner Künstlerin Regina Sell, Jahrgang 1958, an der Akademie in Stuttgart von Rudolf Schoofs ausgebildet, bewegt sich zwischen „zeichnerischer Malerei“ und „malerischer Zeichnung“, wie Gabriele Uelsberg kürzlich treffend urteilte. Und doch geht es der Malerin selbst primär nicht um mediale Einordnung, um den Reiz formaler Spurwechsel, sondern um einen aus ihrer Persönlichkeit heraus entwickelten Zugang – und die Einladung zur Teilhabe (Uelsburg), „denn der Prozess der Bilder ist unabschließbar“.

Apropos Persönlichkeit: Auffällig ist, dass die Malerin vor allem eine Farbskala bevorzugt, die von Schwarz, Braun und allerlei anderen Erdtönen geprägt ist. Zwischendurch schießt zwar auch mal ein leuchtendes Ocker oder eine frech wirkende Gelb-Variante in die Wahrnehmung, aber alles in allem dominiert das Unbunte. Klartext: Die Künstlerin schafft Naturräume, Orte des Rückzugs, zugleich Orte des Aufbruchs.

Bei Werner Büttner und bei Jutta Koether hatte er an der HfbK in Hamburg studiert (Abschluss: 2013), und trotz günstiger Karriere-Start-Chancen war es bald ruhig um ihn. Nach anfänglichen Erfolgen verschwand Daniel Thurau, Jahrgang 1974, zwar aus der überregionalen Aufmerksamkeit, doch Freunde und Sammler beobachten die weitere Entwicklung mit großem Interesse – zumal der Maler nicht den direkten Weg zur Kunst fand, sondern über dem Umweg juristischer Studien zu den Bildern kam.

Das kontinuierlich wachsende Werk, vor allem Gemälde und Arbeiten auf Papier sind zu nennen, ist figurativ orientiert. Es handelt sich um eine expressionistische Handschrift, wie sie die sogenannten Neuen Wilden in den Achtzigern adaptierten. Gleichwohl hat Thurau eine eigene narrative Bildsprache entwickelt, die zwischen profaner Figuration und religiös aufgewerteter zu verorten ist. Bisweilen taucht auch mal ein Heiligenschein in den Kompositionen auf, so selbstverständlich wie in anderen Bildern zwei Menschen gelangweilt an einem Hochtisch stehen. Zwischen Party und Hochamt entfaltet sich eine Bildwelt, die voller Anspielungen steckt, dank eigener Erfahrungen und Beobachtungen glaubwürdig inszeniert.

Dass die Wiederentdeckung von Daniel Thurau lohnt, mag auch mit der Tatsache zu tun haben, wie eng unterschiedlichste Motive in diesem Gesamtwerk miteinander verbunden sind, dass es einen gemeinsamen Nenner gibt. Es ist die Stimmung, die in diesen Bildern steckt, selbst in den vermeintlich fröhlichen, den starkfarbigen: Der Künstler, der es sich nicht leicht zu machen scheint, vermittelt trotz allerlei Hürden auch Hoffnung, eine gewisse Sehnsucht nach dem Paradies.

Im Jahr 1937 in Katalonien geboren, gehört Josep Vallribera zu einer Künstler-Generation, die sich als Innovationsavantgarde versteht. Der 86-jährige Maler, Zeichner, Bildhauer, Fotograf und Performer, der schon als Kind eng mit der Kunst in Verbindung stand, später mit seinem Vater auch eine Galerie gründete, ist stets auf der Suche nach neuen Formen, um in diesem Prozess die Rätsel des Lebens zu ergründen.

Zwar hat er immer wieder auf Ibiza seinen Lebensmittelpunkt gefunden, wo er einst das Gymnasium besuchte und danach unzählige Künstler kennenlernte, ob Antonio Saura oder Emilio Vedova, ob Corneille oder Heinz Trökes, doch letztlich gilt Vallribera als ein unruhiger Geist, als Globetrotter, der sich allerorten seine bildnerischen Anregungen holt.

Er lebte in Dänemark, Deutschland, Frankreich und Österreich, und er lässt anhand seiner Arbeiten erkennen, dass er stilistisch offen bleiben möchte. Unterschiedlichste Einflüsse aus verschiedenen Aufenthaltsorten und Erfahrungsbereichen kommen so in ein Gesamtwerk, das sich nicht ohne weiteres kunsthistorisch einordnen lässt. Während die meisten der Kolleginnen und Kollegen ihre unverwechselbaren Handschriften pflegen, lässt sich Josep Vallribera nach wie vor lustvoll auf das Abenteuer ein, sich nur von Inhalten leiten zu lassen. Mit dem Risiko, dass ein Vallribera nicht sofort als Vallribera ausgemacht wird, kann er gut leben.

re:discover