29.01.2020

Interview mit Messechefin Britta Wirtz

Im Blick nach vorn - Interview mit Britta Wirtz, Geschäftsführerin der Messe Karlsruhe

Messechefin Britta Wirtz
Messechefin Britta Wirtz

Frage: Klassische Moderne und Gegenwartskunst, Malerei und Skulptur, Übersichten und One-Artist-Shows, drinnen und draußen – es scheint so, als würde die art KARLSRUHE auf einem dialektischen Bogen veranstaltet werden. Ist das so?

Britta Wirtz: Es sind weniger die Gegensätze, die uns interessieren. Es sind eher die Gemeinsamkeiten im Spannungsfeld der Zeiten, Themen und Räume, die diese Messe seit vielen Jahren prägen. Gleichwohl bleiben wir in Bewegung, diesmal auch auf der von Ihnen genannten Achse „drinnen/draußen“, indem wir zusätzlich einen Skulpturengarten eröffnen, gesponsert von der Vollack Gruppe.

Frage: Welche Neuigkeiten gibt es zudem? Ist Ihnen als Messechefin im diesjährigen Angebot der Aussteller etwas Besonderes aufgefallen? Gibt es einen Trend, durch die Kunst selbst oder den Kunstbetrieb ausgelöst?

Britta Wirtz: Es lässt sich weltweit auf Messen und Auktionen, in Galerien und Museen beobachten, dass die Kunst von Künstlerinnen endlich die verdiente Anerkennung erfährt, dass der zuvor verengte Blick geweitet wird. So kann ich erfreut bestätigen, dass wir die 17. art KARLSRUHE auch als eine Messe weiblicher Positionen sehen können. Zahlreiche Galeristen kümmern sich verstärkt um Arbeiten von Malerinnen und Bildhauerinnen, und es wird folglich auch reichlich Kunst von renommierten Künstlerinnen geben, darunter Francoise Gilot, Hannah Höch, Käthe Kollwitz, Lotte Laserstein und Tamara de Lempicka. Aber auch die folgende Generation ist stark vertreten. Von Miriam Cahn über Katharina Grosse bis Cindy Sherman – gewissermaßen ein Who’s Who der großen Namen.

Frage: Zu den großen Namen, die auf der diesjährigen art KARLSRUHE auftauchen, gehören erstaunlich viele Doppelbegabungen, beispielsweise Schauspieler, Schriftsteller oder Musiker, die auch malen oder modellieren. Wie kommt das?

Britta Wirtz: Es ist in der Tat so, dass unsere Aussteller jetzt mit vielen kreativen Grenzgängern auftrumpfen, die zusätzliche Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erwarten lassen. So sind Arbeiten der Literatur-Nobelpreisträger Bob Dylan und Peter Handke angekündigt, so werden die Musiker Till Brönner und Helge Schneider ihre Fotografien oder Objekte ausstellen. Vor Tagen erinnerte ich in einem Gespräch daran, dass wir in Karlsruhe seit langem per Vergabe des Hans Platschek Preises für Kunst und Schrift signalisieren, wie bedeutsam Synergie-Effekte auch im künstlerischen Schaffen sind – zumal es vorrangig um Inhalte, nicht um Techniken geht.

Frage: Unwichtig sind Ihnen die bildnerischen Techniken freilich nicht, wenn Sie beispielsweise per Sonderschau Druckgrafik von der Radierung und der Lithografie über den Holzschnitt bis zum Siebdruck sämtliche Möglichkeiten in herausragenden Exponaten präsentieren lassen, oder?

Britta Wirtz: Das stimmt. Aber wichtiger ist mir, dass die von Ausstellern in dieser Übersicht präsentierten Editionen auch jüngeren Messe-Besuchern, die noch mit bescheidenen Mitteln einkaufen müssen, die Chance geben, etwas zu erwerben, eine Sammlung aufzubauen. Denn die art KARLSRUHE ist eine Messe, die im Blick nach vorn entwickelt wird, die an die Sammler von morgen denken muss.

Frage: Zum Jahreswechsel 2019/2020 haben einige Kunstkritiker eine eher skeptische Bilanz gezogen. Sie sind, bezogen auf den internationalen Kunstmarkt und seine Entwicklung im dritten Jahrzehnt, auffällig vorsichtig. Wie lautet Ihre Prognose, wie sehen Sie die Zukunft der Kunstmärkte?

Britta Wirtz: Wenn ich bedenke, dass der Umsatz der Kunsthändler, weltweit betrachtet, in den vergangenen zehn Jahren nur rund neun Prozent zugelegt hat, sich das Vermögen der reichsten Menschen aber in dieser zurückliegenden Dekade verdoppelt hat, dann lässt sich die Zukunft der Branche leider nicht allzu euphorisch beschreiben. Zweifelsfrei haben einige wenige, wohl maßlos überzogene Höchstpreise für Gegenwartkunst, um die 90 Millionen Dollar, für eine Verzerrung der Zahlen gesorgt. Wir bilden mit der art KARLSUHE aber nicht den hochspekulativen Markt ab.

Wir verstehen uns vielmehr als die vielleicht demokratischste, sozialste Kunstmesse im deutschsprachigen Raum: wir fördern durch niedrigschwellige, aber künstlerisch wertvolle Angebote, dass Menschen zum Kunstbesitzenden werden. Denken wir hier an die Druckgrafik, die ja in diesem Jahr erstmals nicht nur mit der Sonderschau bedacht wird, sondern auch mit der Präsentation der Sammlung Stiftung Hans-Peter Haas, dem wohl bedeutendsten Siebdrucker Deutschlands. In Halle eins sind ebenso die Multiples zu Hause. Auch durch ein solches Angebot wird der Kunstbesitz Vielen ermöglicht. Und: Kunstbesitz macht etwas mit den Menschen. Sie werden zum Fühlen und Denken angeregt. Ganz im beuysschen Sinne liefern wir hier einen Beitrag, und der ist in einer von Demokratie und Recht geprägten Stadt wie Karlsruhe gerade gut aufgehoben.

Frage: Trotzdem müssen Galeristen verkaufen und auf ihre Kosten kommen. Was empfehlen Sie?

Britta Wirtz: Es geht grundsätzlich um ein vernünftiges Maß bei der Preisbildung. Und ich bin froh, dass unser Kurator, Ewald Karl Schrade, der zugleich selbst als Galerist tätig ist, seine Kollegen immer wieder animiert, dabei behutsam zu rechnen. Zwar werden auch auf der art KARLSRUHE durchaus Werke über der Millionen-Grenze angeboten, doch alles in allem beobachte ich hier eine moderate Preisgestaltung in allen Segmenten. Das ist gut so, das dürfte auch ein Grund sein, warum wir in den kommenden Tagen erneut rund 50 000 Besucher erwarten dürfen. Die art KARLSRUHE, so hat es sich herumgesprochen, bietet Herausragendes zu angemessenen Preisen. Und es dreht sich, zum Glück, primär alles um die Kunst. Klartext: Schönheit und Erkenntnis vor Rendite und Spekulation.

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